Bedrohte Mitarbeiter

Bedrohte MitarbeiterWeißwasser/O.L. / Běła Woda, 4. Juli 2022. Von Thomas Beier. Ja klar, nicht nur Mitarbeiter, sondern auch Mitarbeiterinnen sind bedroht, wer diesen ermüdenden Hinweis auf die menschliche Geschlechtlichkeit nach ein paar 100.000 Jahren noch immer benötigt. Aber worum geht es überhaupt?

Abb.: Wenn eine Künstliche Intelligenz qualifizierte und sicher geglaubte Jobs ablöst, dann ist das für die Beschäftigten unfassbar
Symbolfoto: Robin Higgins, Pixabay License
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Wenn künstliche Intelligenz fehlende geistige Flexibilität ersetzt

Im Mittelpunkt steht nicht die körperliche oder psychische Bedrohung von Menschen, sondern jene des Arbeitsplatzes – und zwar durch Technologien. Technologien haben nicht nur viele Arbeitsplätze von Niedrigqualifizierten hinweggefegt, sondern sind in modernster Form nun auch für formal Höherqualifizierte gefährlich geworden. Diese neue Bedrohung hat einen Namen: Künstliche Intelligenz (KI), im Englischen Artificial Intelligence (AI).

Wenn formale Qualifikationen nicht ausreichen

Landläufig wird davon ausgegangen, dass man für einen bestimmten Bereich von Arbeitsaufgaben qualifiziert sein muss, um genau diese Aufgaben erfüllen zu können. Das klappt an vielen Stellen, oft beispielsweise im Handwerk: Da kann man jemanden auf einen Schweißerlehrgang für bestimmte Schweißverfahren schicken und anschließend für entsprechende Aufgaben einsetzen, zu deren Erfüllung das erworbene Knowhow angewendet werden muss.

Die Spreu vom Weizen unter den gleichartig Qualifizierten trennt sich, wenn es um eigenschöpferische Leistungen geht. Dazu gehört das eigenständige Erkennen von zu erledigenden Aufgaben oder von Unregelmäßigkeiten und Risiken. Etliche Unternehmer beklagen, dass es beim Mitdenken bei vielen Mitarbeitern klemmt. Sie erledigen Aufgaben formal richtig, aber stupide, erkennen keine Konsequenzen oder Verbesserungsmöglichkeiten – wobei anzumerken ist, dass formale Aufgabenerfüllung auch Folge schlechter Mitarbeiterführung sein kann.

Steigender Aufwand in der Werkstatt

Folge ist Aufwand, den man sich eigentlich sparen könnte: Alles muss vorgedacht und erklärt werden, vielleicht auch noch die Ausführung überwacht und zum Schluss alles noch einmal kontrolliert und nachgebessert werden. Typische Sprüche von solchen Beschäftigten sind "Das ist gut genug so!" oder etwa "Da schaut doch eh keiner hin!" und so weiter. Wobei: Manchmal wird auch sinnlos hoher Aufwand dort getrieben, wo es eben nicht darauf ankommt. Wenn es einfach wäre, dann wäre es nicht so schwierig, den Aufwand dorthin zu verlagern, wo er relevant ist und Nutzen erzeugt.

Fehler im Büro

Nun stelle man sich vor, in einer Rechtsabteilung würde bezüglich von Vertragstexten oder Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Meinung vertreten: "Das liest doch eh keiner!" Klar: So geht es nicht. Dennoch besteht der Konflikt allenthalben und wird immer dann deutlich, wenn ein Vorgesetzter sagt: "Das hätte ihnen doch auffallen müssen!" – und der Mitarbeiter antwortet: "Aber das hat mir doch keiner gesagt, dass ich darauf achten soll!"

Tatsächlich ist es in vielen Bereichen der betrieblichen Praxis so, dass man Beschäftigten nicht alle Eventualitäten vorab bis ins Detail erklären kann. Gefragt ist vielmehr das Mitdenken, doch das wird in manchen Unternehmen ungewollt ausgebremst. Wenn sich Mitarbeiter das Denken abgewöhnen, weil es der Chef ja eh jedesmal besser weiß, dann fällt das irgendwann auf, etwa dort, wo Vereinbarungen getroffen werden, die im Nachgang nicht mehr revidiert werden können.

Vertragsklausel vergessen – und nun?

Ein einfaches Beispiel: Vergisst ein Mitarbeiter in einen Vertrag die salvatorische Klausel einzufügen, dann platzt der Vertrag als ganzes, wenn sich eine andere, vielleicht eher unwichtige Klausel, als nicht rechtskonform erweist. Mit der savatorischen Klausel hingegen wird vereinbart, dass eine unwirksame Bestimmung eines Vertrages durch eine solche ersetzt wird, die rechtskonform ist und dem Sinn der urprünglichen Bestimmung möglichst nahe kommt. Gerade bei individuellen Verträgen ist so eine Regelung wichtig, während in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) die Sache anders aussieht.

Was aber, wenn jemand in der Rechtsabteilung – warum auch immer – wichtige Klauseln, Fristsetzungen oder etwa Gewährleistungsausschlüsse schlichtweg vergisst? Oder bei einem Angebot bestimmte Leistungsausschlüsse weglässt? Wird das Angebot angenommen, entsteht ein Vertrag – und unter Geschäftsleuten gibt es kein Widerrufsrecht.

Im Landkreis Görlitz musste ein Unternehmen, das Erdwärmeanlagen einbaut, vor diesem Hintergrund lernen, in einem Kostenangebot die Beschaffenheit des Untergrundes zu berücksichtigen: Im konkreten Fall hatte man mit normalem Erdboden kalkuliert, stieß dann aber auf ein Granitmassiv. Im Angebot war ein Kostenvorbehalt für diesen Umstand nicht enthalten, der Kunde Bestand auf Vertragserfüllung – die Firma hat diese Erfahrung dann unter Lehrgeld verbucht.

Künstliche Intelligenz greift ein

Mitarbeiter, denen es an der nötigen geistigen Flexibilität mangelt, Zusammenhänge, Fehler oder Lücken zu erkennen, werden durch Künstliche Intelligenz (KI) ersetzt. So, wie einst Maschinen die Handarbeit ersetzten und die Produktivität bei besserer Qualität emporschnellen ließen, ersetzt heute Computersoftware Routineaufgaben des Denkens.

Eine Künstliche Intelligenz für die automatisierte Vertragsprüfung hat Vorteile: Nicht nur, dass menschliche Fehler nicht mehr vorkommen, sondern die Prozesse werden beschleunigt. Die Schnellen schlagen die Langsamen: Wer in der Lage ist, ein rechtssicheres Angebot schneller zu erstellen, einen Vertrag schneller zu analysieren und zu bestätigen als andere, hat im Wettbewerb die Nase vorn.

Eine Frage des Wettbewerbs

In einer Zeit, in der Qualität weitestgehend normiert und durch unterschiedliche Systeme garantiert ist sowie Produktivität vorausgesetzt wird, kommt der Vereinfachung und Beschleunigung von Nebenprozessen der Wertschöpfung neue Bedeutung zu. Anders gesagt: Wer schon macht gern mit Leuten Geschäfte, die nicht mitdenken und insgesamt schwerfällig sind? Hier kann KI helfen, schneller rechtssichere Vereinbarungen zu treffen.

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  • Quelle: Thomas Beier | Foto: RobinHiggins / Robin Higgins, Pixabay License
  • Erstellt am 04.07.2022 - 19:08Uhr | Zuletzt geändert am 04.07.2022 - 20:46Uhr
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