Im ländlichen Raum das Auto abschaffen?
Weißwasser/O.L. / Běła Woda, 27. Juli 2022. Was viele Freunde des Neun-Euro-Tickets, die nun nach Verlängerung rufen, vergessen: Der Fahrschein ist auf Kosten aller Steuerzahler hoch subventioniert, doch Nutzen davon haben bei weitem nicht alle, vor allem nicht im ländlichen Raum und die Älteren. Gedanken zur Mobilität.
Mobilität im ländlichen Raum hat andere Anforderungen als in der Stadt
Man kann es als Fehlentwicklung interpretieren, aber es ist, wie es ist: Unsere Lebenswirklichkeit ist an Mobilität gekoppelt. Von der Kita bis zur Schule, vom Einkauf bis zum Arbeitsplatz geht oft nichts mehr ohne die Inanspruchnahme eines Kraftfahrzeugs. Längst denkt kaum noch jemand an sein Traumauto – "Hauptsache mobil!" ist die Devise.
Zumal Gegenkräfte wirken: Nicht erst in jüngster Zeit gibt es politische Erwartungen, wonach der individuelle Kraftfahrzeugverkehr zurückgedrängt werden soll zugunsten des öffentlichen Personennah- und des Fahrradverkehrs. Angesichts solcher von urbanen Milieus geprägten Vorstellungen und Erwartungen kratzt sich so mancher Bewohner des ländlichen Raumes – wie er mit in seinen Strukturen auch die Oberlausitz und die Region Weißwasser kennzeichnet – am Kopf.
ÖPNV? Im ländlichen Raum kaum eine Alternative zum privaten Pkw
Nun ist es in einem städtischen Ballungsgebiet nicht nur vernünftig, sondern auch ohne Weiteres möglich, auf einen eigenen Pkw zu verzichten. Doch diese Sichtweise auf den ländlichen Raum zu übertragen ist schlichtweg Unfug. Zwar erfreut sich Sachsen noch immer eines guten Busnetzes und der Verkehrsverbund ZVON bemüht sich, Bus- und Zugfahrpläne aufeinander abzustimmen, aber wirklich praktikabel ist das Ergebnis in vielen Lebenssituationen dennoch nicht.Wer etwa mit dem Zug nach Cottbus / Chóśebuz fahren möchte,und dafür eine vielleicht einstündige Bustour zum Bahnhof in Weißwasser in Kauf nehmen muss, um bei der Rückkehr festzustellen, dass jetzt kein Bus mehr fährt, für den sind die öffentlichen Verkehrsmittel kein Autoersatz und können es wohl nie sein.
Radfahren? Nicht überall und nicht für jeden
Auch die Alternative Radfahren hat ihre Grenzen. Zwar fördert das Bundesministerium für Digitales und Verkehr über beiden Förderprogramme "Radnetz Deutschland" und "Stadt und Land" des BMVI den Ausbau von Radwegen auch im Landkreis Görlitz, aber: Wem nutzt es?So sollen 2,4 Millionen Euro in den Ausbau des Oder-Neiße-Radwegs von Bad Muskau / Mužakow über Rothenburg/O.L. / Rózbork und Neißeaue / Nysowa łučina bis nach Görlitz / Zhorjelc fließen. Den Nutzen davon haben vor allem Urlauber, Freizeitradler und die Tourismuswirtschaft mit ihren vielen Minijobs, von denen niemand leben kann.
Trotz aller Propaganda ist das Fahrrad vor allem für den Arbeitsweg wenig geeignet, zudem häufig angesichts der Entfernungen an die Fahrt von der Arbeitsstelle oder dorthin noch weitere Wege angehängt werden.
Mangelnder Wetterschutz und körperliche Einschränkungen der überdurchschnittlich alten Bevölkerung im ländlichen Raum wirken außerdem gegen den Radverkehr. Soll die Oma, die mit dem Enkeltaxi zur Schule fährt, aufs Fahrrad umsteigen? Unsinn. Unverantwortbar gefährlich hingegen ist es, wenn Eltern auf belebten oder gar Bundesstraßen Kinder im Fahrradanhänger hinter sich herziehen. Nicht auszudenken, was bei einem Auffahrunfall passiert…
Im ländlichen Raum kann auf den privaten Pkw kaum verzichtet werden
Viele pflegen und hegen ihr Auto, da angesichts der hohen Neuwagenpreise im Landkreis Görlitz als einem jener mit dem deutschlandweit geringsten Bevölkerungseinkommen eine Neuanschaffung oft unmöglich ist. Außerdem sind die Gebrauchtwagenpreise teils heftig gestiegen, die Rede ist von einem Plus von 30 Prozent binnen eines Jahres. Neben den hohen Neuwagenpreisen trägt dazu auch die teils eingeschränkte Lieferfähigkeit der Hersteller bei.Überhaupt ist der Autokauf heutzutage mit enormen Unsicherheiten verbunden. Bereits angekündigt ist der Rückgang bei der Förderung von elektrisch angetriebenen Fahrzeugen. Außerdem: Wer heute ein Auto kauft, kann kaum kalkulieren, was es in fünf oder sechs Jahren noch wert sein wird. Mögliche weitere Markteingriffe der Politik, die Spritpreisentwicklung und der technologische Fortschritt können dazu führen, dass der Wertverlust rapide ausfällt.
Ein Ausweg kann in vielen Fällen das Leasing sein, denn dann trägt vor allem der Leasinggeber das Restwertrisiko. Während man früher sagte, Leasing sei wegen der grundsätzlichen steuerlichen Absetzbarkeit der Leasingraten vor allem etwas für Unternehmen, so ist das Autoleasing längst in den Privatbereich vorgedrungen – eine Entwicklung, die sich angesichts der bestehenden Unsicherheiten fortsetzen dürfte.
Auf diesen Zug springen natürlich Leasinganbieter auf und bieten eine ziemlich lange Liste von Zusatzleistungen zum eigentlichen Leasingvertrag an. Für Informationen kann man sich etwa das Magazin zum Auto Abo bei GoLeasy anschauen, in dem die einzelnen Prämien in der Autobranche erklärt werden sowie Tipps zu Apps, zur Vertragslaufzeit und zu ökologischen Fragen des Leasings zu finden sind.
Kleiner Mann, kleine Frau, was nun?
Wie man seine individuelle Mobilität im ländlichen Raum sichert, hängt natürlich zuerst von den persönlichen Verhältnissen ab. Wer angesichts der Inflation noch Geld unterbringen will, wird schnell noch versuchen, Prämien beziehungsweise Fördermittel mitzunehmen. Vermutlich sind die meisten, die in der Region Weißwasser auf ihr Auto angewiesen sind, eher nicht in dieser glücklichen Lage. Sie werden versuchen, die Nutzungsdauer ihres Gefährts zu erhöhen. Wer jetzt an die eventuelle Laufzeitverlängerung der verbliebenen Kernkraftwerke denken muss, liegt nicht ganz falsch.-
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- Quelle: TEB | Fotos: © Görlitzer Anzeiger
- Erstellt am 27.07.2022 - 16:50Uhr | Zuletzt geändert am 27.07.2022 - 18:00Uhr
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