Der Reiz des Baggers: Umweltaktivisten oder kriminelle Chaoten?

Der Reiz des Baggers: Umweltaktivisten oder kriminelle Chaoten?Cottbus / Chóśebuz, 30. Juni 2020. Am vergangenen Freitag, dem 26. Juni 2020, hatten Umweltaktivisten von "Ende Gelände" und "Einsatz Kohlestopp" im Tagebau Jänschwalde für mehrere Stunden einen Bagger besetzt. Dazu hat sich der Verein Pro Lausitzer Braunkohle e.V., der seine Geschäftstelle im Cottbusser Haus der Wirtschaft hat, in harschen Worten geäußert.

Das Braunkohlekraftwerk Boxberg/O.L. / Hamor
Archivbild: © Görlitzer Anzeiger
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Lobbyverein Pro Lausitzer Braunkohle kritisiert Medien

Lobbyverein Pro Lausitzer Braunkohle kritisiert Medien
Folge des Kohleabbaus: Mondlandschaft im Süden Brandenburgs, in der sich über Jahrzehnte keine Pflanzen angesiedelt haben
Archivbild: © Görlitzer Anzeiger

Der Vorsitzende des Pro Lausitzer Braunkohle e.V. und bis zur Pensionierung 2012 zuletzt als Leiter des Cottbuser Amtsgerichts in Rechtsangelegenheiten erfahrene Wolfgang Rupieper hat so reagiert: "Mit der aktuellen Baggerbesetzung im Lausitzer Revier suchen die Demokratiegegner und erwiesenen Linksextremisten von Ende Gelände, die nicht auf dem Boden unseres Rechtsstaates und unserer Verfassung agieren, die offene Konfrontation mit den Demokraten. Wir müssen ein Zeichen setzen, dass diese Chaoten nichts in der Lausitz zu suchen haben. Das sind keine Umweltschützer, das sind Kriminelle. Sie gehören nicht auf den Bagger, sondern vor Gericht!"

In einer Mitteilung erklärt sich der Pro Lausitzer Braunkohle e.V. zum Sprecher der "betroffnenen Menschen" und übt sich in Medienschelte: "Es wird in diesem Zusammenhang von den betroffenen Menschen in der Lausitz erwartet, dass die sprachliche Verharmlosung der radikalisierten Gesetzesbrecher in der Gruppierung Ende Gelände in den Medien ein Ende findet und dort auch keinerlei Relevanz für demokratische Prozesse zugesprochen bekommt."

Die Gegenseite: Drohende Klimakatastrophe und ziviler Ungehorsam

Zu dieser Pressemitteilung des Vereins Pro Lausitzer Braunkohle, die undatiert auf dessen Website abrufbar ist, und den zugrundeliegenden Protesten vom vergangenen Freitag hat sich die Lausitzer Abgeordnete der Linksfraktion im Sächsischen Landtag, Antonia Mertsching, zu Wort gemeldet: "Statt Kohlekritiker derart verbal ins Visier zu nehmen, sollte sich der Verein, aber auch die Politik mal fragen, wie sehr junge Menschen durch den mangelhaften Klimaschutz ihre Zukunft bedroht sehen, dass sie für ihre gewaltfreien Protestaktionen sogar Gefängnisstrafe in Kauf nehmen. Insofern überrascht es mich nicht, dass gerade vom Verein Pro Lausitzer Braunkohle die Umweltaktivisten von Ende Gelände immer wieder und erneut pauschal zu Demokratiegegnern und Linksextremisten erklärt werden, deren 'Chaoten' nach ihrem Vorsitzenden als 'Kriminelle' 'vor Gericht' gehören. Zum Glück obliegt letztere Entscheidung nicht einem Vereinsvorsitzenden.

Dennoch: Wer ausgerechnet im dreißigsten Jahr der deutschen Einheit Protestformen des zivilen Ungehorsams generell als kriminell, verfassungs- oder demokratiefeindlich verunglimpft, hat zwei Dinge bis heute nicht begriffen: nämlich die existenzielle Gefahr angesichts der drohenden Klimakatastrophe, die vor allem die junge Generation treffen wird; und die lange Tradition zivilen Ungehorsams, die erst eine friedliche Revolution und später die Wiedervereinigung ermöglichte.

Die Diffamierung von Umweltbewegten gehört aber quasi zum Gründungsauftrag des Lobbyvereins Pro Lausitzer Braunkohle e.V. Für so viel Engagement wurde und wird der Verein auch noch großzügig finanziell unterstützt – zuerst von den Bergbautreibenden selbst, dann vom Land Brandenburg. Dass sich die junge Generation angesichts dieser fossil-freundlichen Politik – Kohleausstieg nach Betriebsplänen der Konzerne und Entschädigungen ohne Grundlage – um ihre Zukunftschancen betrogen fühlt, kann ich nur allzu gut nachvollziehen!"

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  • Quelle: red | Fotos: © Görlitzer Anzeiger
  • Erstellt am 30.06.2020 - 08:49Uhr | Zuletzt geändert am 31.08.2020 - 09:22Uhr
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