Droht Görlitz ein Wahlkampf-Skandal?

Görlitz, 17. August 2017. Noch ist es ein Gerücht, aber es verdichtet sich: Am Vorabend (23. September) der Bundestagswahl wollen im Gerhart-Hauptmann-Theater Görlitz radikale Kleinparteien eine Wahlkundgebung abhalten. Die Stadtverwaltung scheint zu den Inhalten ebenso ahnungslos zu sein wie die Theaterintendanz.
Abbildung: Das wunderschöne Görlitzer Theater hat immer wieder bedeutsame Aufführungen erlebt. Soll es jetzt zum Ort eines Wahlkampfspektakels von Randparteien werden?

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Wer ist blöd – das Wahlvolk oder...?

Thema: Theater Görlitz-Zittau

Theater Görlitz-Zittau

Die Gerhart Hauptmann-Theater Görlitz-Zittau GmbH (GHT) verfügt über feste Häuser in Görlitz und Zittau und bespielt die Waldbühne Jonsdorf. Als Vierspartenhaus vereint das GHT Musiktheater (Oper, Operette, Musical), Tanz, Schauspiel und die Konzerte der Neuen Lausitzer Philharmonie. Es ist ein wichtiger Teil Kulturraums Oberlausitz-Niederschlesien. Beliebt sind auch die Aufführungen an besonderen Spielstätten. Das Theater engagiert sich in der Theaterpädagogik für Kinder und Jugendliche sowie im interkulturellen Austausch mit Polen und Tschechien.

Bestärkt wurden die Vorbereitungen für die Wahlkundgebung, wie ein beunruhigter Bürger gestern gegenüber dem Görlitzer Anzeiger vor einer Presseveranstaltung in der Görlitzer Otto-Müller-Straße andeutete, durch das Vorhaben der Regionalgeschäftsstelle Ostsachsen des Deutschen Gewerkschaftsbundes, am 6. September in Zittau eine Diskussionsveranstaltung mit Kandidaten zur Bundestagswahl durchzuführen. Dazu wurden aber nur Vertreter der im Bundestag vertretenen Parteien eingeladen – andere, durchaus aussichtsreiche Bewerber beispielsweise von der FDP und der AFD sind dadurch ausgeschlossen, was nicht sonderlich demokratisch erscheint. Hinzu kommt, dass die vorgegebenen Themen, wie man sich leicht überzeugen kann, im Sinne gewerkschaftlicher Standpunkte formuliert sind und durch den Ausschluss der beiden genannten Parteien, die sich aktuell vielleicht am akzentuiertesten artikulieren, eine ungestörte Kuschelrunde unter gewerkschaftlicher Flauschdecke zu erwarten ist. Damit wird der Demokratie ein Bärendienst erwiesen, weil: Das Wahlvolk ist doch nicht blöd!

Insgesamt gibt es 48(!) zur Bundestagswahl zugelasse Parteien. Die treten für die unterschiedlichsten Dinge ein, so beispielsweise das bedingungslose Grundeinkommen, für spirituelle Politik, es gibt eine Gartenpartei, eine für das Wohl und Glücklich-Sein aller, eine Mieterpartei und viele andere mehr.

Was sich nun in Görlitz zusammenbraut

Einigen der Leute, die mittels kleinmaßstäbiger Parteipolitik ihre Interessen durchsetzen wollen, scheint nun der Kragen geplatzt zu sein. Ausgerechnet am Vorabend der Bundestagswahl wollen sie Aufmerksamkeit erheischen und nutzen dazu das Görlitzer Theater, das immerhin 500 Sitzplätze bietet.

Zu den Protagonisten, die in Görlitz zu Wort kommen wollen, soll ein Fürsprecher einer Partei gehören, die sich offen für die Errichtung einer Diktatur engagiert und dadurch mehr Stabilität in die Politik bringen will. Mindestens vier weitere fundamentale Parteistandpunktvertreter sollen hinzukommen. Ob der Staatsschutz bereits Wind von dem Auftritt hat, ist nicht bekannt.

Darf das Theater überhaupt von Parteien genutzt werden?

Grundsätzlich haben Einwohner (und damit auch Parteien) einen Zulassungsanspruch auf die Nutzung öffentlicher Einrichtungen, es sei denn, kurz gesagt, ein Widmungszweck oder die ständige Vergabepraxis würde dem entgegenstehen. Verwaltungs- und Theatermitarbeiter, die nun zwischen vorauseilendem Gehorsam und rechtlich einwandfreiem Handeln hin- und hergerissen sind, können sich an einer Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages über die "Zulässigkeit und Grenzen von Wahlkampfbeschränkungen der Parteien" (Akt.-Z. WD 3 - 3000 - 315/14 vom 22. Januar 2015, inbes. Pkt. 2.2.2.; Download ca. 323KB) orientieren.

Anzunehmen ist, dass die im Zusammenhang mit der Veranstaltung auftretenden Probleme bis zu Ordnungs- und Sicherheitsbürgermeister Dr. Michael Wieler, der zugleich über umfangreiche Erfahrungen aus seiner Zeit als Intendant des Görlitzer Theaters verfügt, hochdelegiert werden.

Was macht der Görlitzer Anzeiger?

Der Görlitzer Anzeiger bleibt an diesem Thema dran, denn wie seine Schwesterausgaben, so auch der Bautzner Anzeiger, setzt er sich vehement für Demokratie ein. Dafür wird der Kontakt zum Informanten, der selbstverständlich nicht genannt werden kann (Anfragen zwecklos), aufrecht erhalten.

Ergebnis: Theater Görlitz für Wahlkampfauftritte nutzen?

ja (23.1%)
 
nur bestimmte Parteien (14.3%)
 
nein (52.7%)
 
ich gehe soundso nicht hin (9.9%)
 
Nichtrepräsentative Umfrage
Umfrage seit dem 17.08.2017
Teilnahme: 91 Stimmen
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  • Quelle: TEB | Fotos: © Görlitzer Anzeiger
  • Erstellt am 17.08.2017 - 11:14Uhr | Zuletzt geändert am 17.08.2017 - 13:02Uhr
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